Momente des Unvorhergesehenen

 

Zu Beginn einer Forschung scheint es gewöhnlich zu sein, viele und vor allem unsortierte Gedanken im Kopf zu haben. Unüberschaubare Interessengebiete, blinder Aktionismus und Chaos bestimmen die Recherche. Aktuell gibt es keine klare Themenformulierung, aber dafür eine Sammlung von Personen, die mir eine Inspiration sind und meine Intention teilen. Dabei stelle ich die Personen in den Vordergrund und nicht ihre Werke …

Marcel Duchamp

 Marcel Duchamp

“ In dem man sich für einen Moment der Zukunft ( den und den Tag, das und das Datum, die und die Minute) > ein Ready-made vormerkt <. – Das Ready-made ist denn also dieser Chronometrismus, diese Momentaufnahme, wie eine Rede, die bei irgendeinem Anlaß gehalten wird, aber zu der und der Stunde. Es ist eine Art Rendez-vous, – natürlich Raum, Stunde, Minute auf dem Ready-Made eingetragen, als Informationen.“
(Marcel Duchamp, Die >Ready-mades< präzisieren. Vgl. Marcel Duchamp. Ausstellungskatalog. Museum Haus Lange. Krefeld o. J.)

 

„Die Sprengkraft von Duchamps Kunst- und Lebensentwurf liegt, zumal in unserer ungeduldigen Gegenwart, nicht zuletzt in dieser aufreizenden Gelassenheit. Seine Poetik der Nachträglichkeit, die Kalkül und Zufall, Begehren und Verzicht ineinanderfließen läßt, setzt vor allem die Fähigkeit voraus, den Dingen Zeit zu lassen und warten zu können.“

(in: Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Margit Kern, Thomas Kirchner und Hubertus Kohle, Berlin 2004, S. 461-469)

Vilem Flusser, Schloss Solitude, Stuttgart, April 1991

 Vilém Flusser

„Es ist nicht so, daß der Zufall Folge noch unbekannter Ursachen ist, sondern umgekehrt so, daß Phänomene, bei denen die Ursachen erkenntlich sind, eigentlich nichts anderes sind als Zufälle, die zufällig kausal erklärt werden können.(…) Anders gesagt: Die Natur ist nicht eine Verkettung von Ursache und Folgen, innerhalb welcher wir komplexe Kontexte noch nicht durchblicken können. Sondern die Natur ist ein chaotischer Kontext von Zuällen, worin sich zufällig unter anderem auch Kausalketten bilden können.“
(in: Zufall als Prinzip, Spielwelt, Methode und System in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Hrsg. Bernhard Holeczek & Lida von Mengden, S.11)

Umberto_Eco

 Umberto Eco

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– nur das offene Kunstwerk entspricht unserer Zeit und kann den Rezipienten wirksam erreichen
– Kunst bewirkt eine lebhafte Strukturierung der Wahrnehmung durch Einübung der Vorstellungskraft und Öffnung des Vorstellungsraumes
– Funktion des Zeichens für einen anderen Bewußtseinsinhalt
Wechselbeziehungen zw. dem Phänomenen, die von zeitlich unterschiedlichen Positionen aus eine unterschiedliche Deutung erfahren

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 Wolf Vostell

Das Unvorhergesehene erhob sich als solches zum Ereignis und konfrontiert den Zuschauer, den sie in das inszenierte Geschehen aktiv involvierte, dem überraschenden, unbekannten.

„Folgerichtig nach Marcel Duchamp der die gefundenen Objekte als Kunst entdeckt hat – mache ich das eigene Handeln und Denken als aesthetischen Prozess und damit als Kunstwerk bewusst. Gewaltloses Agieren und Denken in Raum und Zeit sind psychoaesthetische Werke, Skulpturen die vergehen aus menschlichen Energien, – wichtig zur Fortschreitung der Selbstwerdung jedes Individuums.“ (Wolf Vostell)

 

„In meinen Dé-Coll/Age – Happenings erfährt das Publikum neue Wertmaßstäbe. Es lernt erneut zu leben und erfasst die psychologische Wahrheit der Umgebung und Vorkommnisse in denen es gesellschaftliche und ästhetische Prozesse erkennt.“

 

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 Happening, „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“, Wolf Vostell, 1964

„ Die Eindrücke während jeder Fahrt sind völlig verschiedene, und auch wenn einige Personen gemeinsam einen Bus besteigen, werden ihre subjektiven Erfahrungen voneinander abweichen.
Sie beachten alle „Dinge“, die Ihnen zustoßen – alle von ungewöhnlicher und ungewöhnlicher Art. Bei diesen Happenings lässt die Absicht, eine Mischung von Alltäglichem und Phantastischem herzustellen, aus der Rundreise eine moderne Entsprechung zu Dantes geistigen Ausflug entstehen“ (Allan Kaprow zu Vostell)

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Daniel Spoerri

„Die optische Lektion soll darin bestehen, auf Situationen und Regionen des täglichen Lebens aufmerksam zu machen, die wenig oder gar nicht beachtet werden. Sozusagen unbewuste Kreuzpunkte menschlicher Tätigkeiten, oder mit anderen Worten: die formale und expressive Präzision des Zufalls in jedem Augenblick.“ (Daniel Spoerri)